Wie der Krieg nach Achenbach kam

Aus Genealogen im Hinterland
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Autor: Erich Müller, Dachdeckermeister Jahrgang 1928

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Das „Rowwekeppel“ war ein kleiner Felsen oberhalb des heutigen Tannenweges. Von ihm aus hatte man einen wunderbaren Ausblick über Achenbach, Oberdieten und die umliegenden Wälder. Für uns Jugendliche war das mit dem daran anschließenden Bolzplatz ein gern genutzter Spielplatz. Auch am Gründonnerstag, den 29. März 1945, war ich mit meinen Freunden Walter Wagner und Hans Blöcher oben auf dem Felsen. Nicht zum Spielen, sondern um zu beobachten. Beobachten, wie sich die angespannte Kriegslage entwickelte. Ein kleines Versteck am „Rowwekeppel“ war unser Beobachtungspunkt. Von dort aus konnten wir alle Straßen kontrollieren.

Und dann hörten wir sie: die Fahrzeugkolonne und Panzer der Alliierten Truppen. Zuerst von Simmersbach Richtung Oberdieten kommend, dann von Oberdieten nach Achenbach. Was wir nicht wussten war, dass zur gleichen Zeit deutsche Soldaten mit Ihren Fahrzeugen oberhalb von Achenbach, auf der Straße von Mandeln Richtung Laasphe, auf dem Rückzug waren. Was dann geschah, hat uns Angst und Schrecken eingejagt. Die Alliierten Panzer, die schon bis zur Achenbacher Grenze auf der Struht vorgefahren waren, eröffneten sofort das Feuer und trafen zwei deutsche Fahrzeuge. Eines davon brannte völlig aus, es gab Tote und Verletzte.

Jetzt wurde es höchste Zeit für uns, den Schauplatz zu verlassen. In Windeseile liefen wir nach Hause und hängten in unseren Fenstern weiße Fahnen auf als Zeichen der Kapitulation. Ein Panzer fuhr im Dorf in der ersten Kurve zwischen Höwwelmanns und Enne-Scheune geradeaus, zerstörte den Zaun, pflügte den Garten um. Er gab ein paar Schüsse in Richtung deutscher Soldaten ab und beim Zurücksetzen hat er noch Scheierns Gartenmauer umgefahren. Bei einem weiterem Schusswechsel zwischen den Amerikanern und den deutschen Soldaten wurden nicht nur die Dächer bei Päifersch, Bamsjarjes und Henches Frieda beschädigt; auch ein Versorgungswagen der Deutschen wurde im Diffeboch (Tiefenbach) kampfunfähig geschossen und blieb beim Transformatoren-Häuschen liegen.

LKW der Spedition Huft und Menn, Achenbach

Diesen LKW – ich glaube es war ein Krupp – hat Ernst Menn, KFZ-Meister aus Siegen, dessen Familie bei einem Bombenangriff alles verloren hatte und die damals in Oberdieten gelandet war, wieder instand gesetzt. Es war das erste Fahrzeug der späteren Spedition „Huft und Menn“ in Achenbach.

Inzwischen hatten die alliierten Truppen Achenbach eingenommen und alle Straßen und verschiedene Häuser kontrolliert. Es war ruhig geworden und die Schießerei hatte ein Ende. Langsam trauten sich die Leute wieder nach draußen. Sie waren froh und dankbar, dass alles so glimpflich abgelaufen war. Auch wir Jungens wollten wissen, was in der Zeit passiert war, als wir im Keller gehockt hatten. Aus unserem – Adams – Garten sahen wir sie dann: unsere Besetzer und Eroberer. Sie sammelten sich auf der anderen Seite der Bannwesse (auf der heutigen Waldstraße) „unter der Danne“ in Richtung Hesselbach.

Erstaunt waren wir über die Ausrüstung und Stärke der Truppen: etwa zwanzig Panzer, Panzerspähwagen, Jeeps, Versorgungswagen und Mannschaftswagen. Wir sind dann ganz langsam zu ihnen hin gegangen, haben uns alles angeguckt und die Soldaten – sie haben uns angelächelt. Und als sie weiterzogen, haben sie uns Kekse und Kaugummi zugeworfen. Die ganze Aktion, vom Einmarsch bis zum Abzug der Amerikaner, dauerte ca. drei bis vier Stunden.

Allmählich hatten sich die meisten Leute wieder beruhigt und gingen ihrer Arbeit nach. Vieh und Menschen mussten versorgt werden und am nächsten Tag war Karfreitag. Es muss wohl am folgenden Samstag gewesen sein, als einige Männer aus dem Dorf den unbekannten Soldaten auf dem Achenbacher Friedhof beerdigten und die zurückgelassene Ausrüstung der deutschen Wehrmachtsfahrzeuge von der Straße nach Fischelbach beseitigten.

Ein schönes Andenken aus dieser Zeit steht bei mir in meiner Werkstatt. Es ist eine Stand-Bohrmaschine aus einem Werkzeugwagen der Wehrmacht. Sie wurde am Korpus durch Granatsplitter beschädigt, ist aber noch immer funktionsfähig. Die Schäden an den Dächern durfte ich einige Zeit später als Dachdeckerlehrling reparieren und damit die Kriegsschäden beseitigen, die der kurze Krieg in Achenbach hinterlassen hatte. Leider sind viele andere Wunden, die der lange Krieg in den Familien gerissen hat, nicht so schnell verheilt.

Aus Lucie Fischer: Häuser – Familienbuch Achenbach. S. 532 ff, mit freundlicher Genehmigung des Verfassers, 2021 Achenbach, Selbstverlag