Wenkerbogen Herzhausen 1887
Einleitung
Georg Wenker, ein deutscher Sprachwissenschaftler, begründete den Sprachatlas des Deutschen Reichs, der auch als Wenkeratlas bekannt ist und aus dem das heutige Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas
hervorging. Dazu stellte er bis 1880 die 40 heute nach ihm benannten Wenkersätze zusammen, die er in den Folgejahren von Lehrern aus dem gesamten Deutschen Reich in deren jeweilige Ortsmundart übertragen ließ.
Die ausgefüllten Fragebögen liegen typischerweise in deutscher Kurrentschrift vor. Im Projekt regionalsprache.de gibt es die Option der Mitarbeit bei der Transliteration
von Handschrift in Computer-Schrift beizutragen. Klaus Ronzheimer hat das am Beispiel des Wenkerbogens von (Dautphetal-)Herzhausen getan, seine Ergebnisse sind hier dargestellt.
Wenkerbogen Herzhausen
Die Einträge in der Wenkerbogen-Tabelle folgen diesem Muster:
WS xy | Wenkersatz in Hochdeustch |
---|---|
Übertragung in Ortsmundart |
Der Wenkerbogen mit 40 Wenkersätzen (Bogennummer: 28392, Transliteration: 7225, Transliterent: Klaus Ronzheimer):
Wenkerbogen Herzhausen 1887 | |
---|---|
WS 1 | Im Winter fliegen die trocknen Blätter durch die Luft herum. |
Em Wiënter fliehe d’ trockene Blärer en d’r Loft rim. | |
WS 2 | Es hört gleich auf zu schneien, dann wird das Wetter wieder besser. |
Es hält glag off Schneï zu mache; da wird d’s Wirrer wirre besser. | |
WS 3 | Thu Kohlen in den Ofen, daß die Milch bald an zu kochen fängt. |
Dou Kulln en Owe, daß d’ Melche bahle ofängt z’ koche. | |
WS 4 | Der gute alte Mann ist mit dem Pferde durch’s Eis gebrochen und in das kalte Wasser gefallen. |
Der gore ale Mann es mirm Gaul (Perd) durch’s Eise gebroche, on en d’s kale Wasser gefalln. | |
WS 5 | Er ist vor vier oder sechs Wochen gestorben. |
E’ es vier veër awer sauïchs Wache gestorwe. | |
WS 6 | Das Feuer war zu heiß, die Kuchen sind ja unten ganz schwarz gebrannt. |
Dos Feuer wor zo häß. d’ Kuche sei jo onne ganz schworz gebrant. | |
WS 7 | Er ißt die Eier immer ohne Salz und Pfeffer. |
Er eßt d’ Aj̈er immer uhne Saalz onn Päffer. | |
WS 8 | Die Füße thun mir sehr weh, ich glaube, ich habe sie durchgelaufen. |
D’ Feße do m’r weï, ag gläwe, ag hu mersche durch g’läwe | |
WS 9 | Ich bin bei der Frau gewesen und habe es ihr gesagt, und sie sagte, sie wollte es auch ihrer Tochter sagen. |
Ag sei bei d’r Fra g’west, onn s’ säht, se wollt’s äch ehrem Mädche sa. | |
WS 10 | Ich will es auch nicht mehr wieder thun! |
Ag will’s äch nitt mi wirre do. | |
WS 11 | Ich schlage Dich gleich mit dem Kochlöffel um die Ohren, Du Affe! |
Ag schloh dach glaih mirm Kochleffel im d’ Uhrn, du Affe. | |
WS 12 | Wo gehst Du hin? Sollen wir mit Dir gehn? |
Wu gist Du hi, sinn m’r met d’r gih. | |
WS 13 | Es sind schlechte Zeiten. |
Es saï schlachte Z[a]ire. | |
WS 14 | Mein liebes Kind, bleib hier unten stehn, die bösen Gänse beißen Dich todt. |
Mai lewes Kend, blaib heï onne stih, d’ bise Gänse baiße dich dud. | |
WS 15 | Du hast heute am meisten gelernt und bist artig gewesen, Du darfst früher nach Hause gehn als die Andern. |
Su host haure em meste g’lernt on best otlich g’west, du deefst freër hem gih als d’ Ahnern. | |
WS 16 | Du bist noch nicht groß genug, um eine Flasche Wein auszutrinken, Du mußt erst noch ein Ende wachsen und größer werden. |
Du best noch nit gruß g’nung, im e Flasche Wai ausz’tränke, du mißt erscht noch e bische wosse, on grisser werrn. | |
WS 17 | Geh, sei so gut und sag Deiner Schwester, sie sollte die Kleider für eure Mutter fertig nähen und mit der Bürste rein machen. |
Gih, sai s’ g[o]t on saïg dei’er Schwäster, se sollt’ d’ Klärer für aue Mutter fertig nihe, on met d’e Boschte re mache. | |
WS 18 | Hättest Du ihn gekannt! dann wäre es anders gekommen, und es thäte besser um ihn stehen. |
Hest du en g’kahnt, da wärsch ahnerscht gekomme, on es dit besser im en stih. | |
WS 19 | Wer hat mir meinen Korb mit Fleisch gestohlen? |
Wer hot m’r mein Korb met Fläsch gestohln? | |
WS 20 | Er that so, als hätten sie ihn zum dreschen bestellt; sie haben es aber selbst gethan. |
Er det suh, als härre sen zom Drösche bestahlt, se hus awer sälwer g’doh. | |
WS 21 | Wem hat er die neue Geschichte erzählt? |
Wem horre d’naue G’schichte verzohlt? | |
WS 22 | Man muß laut schreien, sonst versteht er uns nicht. |
Mer miß laure groïsche, sost verschtirre eïs nit. | |
WS 23 | Wir sind müde und haben Durst. |
Mir sai mere on hu Dorscht. | |
WS 24 | Als wir gestern Abend zurück kamen, da lagen die Andern schon zu Bett und waren fest am schlafen. |
Als mir gäst z’Owet [z] wirre retur kome, do loge d’ Ahnern schu em Bett on worre fest om schlofe. | |
WS 25 | Der Schnee ist diese Nacht bei uns liegen geblieben, aber heute Morgen ist er geschmolzen. |
D’r Schnneï es dirre Nogt bei es leie g’bliwe, awer dirre Morge irre g’schmolze. | |
WS 26 | Hinter unserm Hause stehen drei schöne Apfelbäumchen mit rothen Aepfelchen. |
Hinner esem Haus schtih draī schine Äppelbemercher met rure Äppeln. | |
WS 27 | Könnt ihr nicht noch ein Augenblickchen auf uns warten, dann gehn wir mit euch. |
Kinnt’r nitt noch ’n Ägebläck off eïs g’worte, da gih m’r mirr och. | |
WS 28 | Ihr dürft nicht solche Kindereien treiben! |
Ihr dirft nitt so Kennerai traiwe. | |
WS 29 | Unsere Berge sind nicht sehr hoch, die euren sind viel höher. |
Eïse Bärje saï nitt z’ hug, aue saï vill hijer. | |
WS 30 | Wieviel Pfund Wurst und wieviel Brod wollt ihr haben? |
Wevill Pond Wurscht on wevill Brud willt’r hu. | |
WS 31 | Ich verstehe euch nicht, ihr müßt ein bißchen lauter sprechen. |
Ag verschtih uch nitt, ihr mißt e’ wink laurer schwätze. | |
WS 32 | Habt ihr kein Stückchen weiße Seife für mich auf meinem Tische gefunden? |
Horr ihr ke Steckelche waiße Säfe fir mag of meim Desch g’fonne? | |
WS 33 | Sein Bruder will sich zwei schöne neue Häuser in eurem Garten bauen. |
Sai Brorer wil sich zwä schine naue Häuser en auen Gorte baun. | |
WS 34 | Das Wort kam ihm von Herzen! |
Dos Wot komem vo herze. | |
WS 35 | Das war recht von ihnen! |
Dos wor ragt vo’n. | |
WS 36 | Was sitzen da für Vögelchen oben auf dem Mäuerchen? |
Wos sitze do fir Veliher owe off ’m Mauerche? | |
WS 37 | Die Bauern hatten fünf Ochsen und neun Kühe und zwölf Schäfchen vor das Dorf gebracht, die wollten sie verkaufen. |
D’ Bau’rn harre finf Ochse on noï Keï on zwelf Schofe vir d’s Dirf gebrogt, deï wollte se verk[ä]fe. | |
WS 38 | Die Leute sind heute alle draußen auf dem Felde und mähen. |
D’ Leure saï haure all dauße off’m Fäld on mihe. | |
WS 39 | Geh nur, der braune Hund thut Dir nichts. |
Gih nur, d’r braune Hond dot d’r naut. | |
WS 40 | Ich bin mit den Leuten da hinten über die Wiese ins Korn gefahren. |
Ag saï mit de Leure do henne äwer d’ Wisse en d’s Korm g’fohn. <Ich weiß ganz gewiß = Ag wäß ganz enke.> |
Quellen
- Wenkerbogen Herzhausen, Original (PDF) in deutscher Kurrentschrift
- Die 40 Sätze Nord- und Mitteldeutschlands sowie der späteren Erhebung Süddeutschlands. In: Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas. Abgerufen am 29. Dezember 2022.
- Wenkerbogen-Anzeige Herzhausen. In: Wenkerbogen-App. Abgerufen am 29. Dezember 2022.
Links
- https://regionalsprache.de – ein Forschungsprojekt des Marburger Forschungszentrums Deutscher Sprachatlas
- https://wenker.online.uni-marburg.de/wenker – Wenkerbogen-App
- Deutscher Sprachatlas
in Wikipedia
- Georg Wenker
in Wikipedia