Sitten und Gebräuche in unserem Breidenbacher Dorfleben

Aus Genealogen im Hinterland
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Autorin: Sidonie Krücke (Lehrerin i. R.), zur Verfügung gestellt von Norbert Nossek

(Auszüge aus der Runkel’schen Chronik)

Nachfolgende Abschriften entstammen einer Breidenbacher Chronik und sind demzufolge Ortsbezogen, sollte man meinen. Meiner Meinung nach handelt es sich um einen weit verbreiteten Schattenglauben, der zumindest das ganze Kirchspiel einbezog, und dem Christenglauben um nichts nachstand. Ich selbst habe Auswüchse dieses Unsinns noch erfahren dürfen.

Wenn ein Kind geboren wurde, so kamen die Nachbarn und Verwandten und brachten kräftige Suppe, Eier oder Wecke für die Mutter. Wer es konnte, brachte wohl auch Hemdchen, Käppchen, Strümpfchen oder sonst ein Kleidungsstück für das Kind mit. Wenn die Wöchnerin das erste Mal aus ihrer Stube ging, musste sie ein Vaterunser beten. Die Kinder wurden nicht eher hinausgetragen, als bis sie getauft waren. Der erste Gang der Mutter musste ihr Kirchgang sein. Wurde das Kind zum ersten Male zu den Großeltern getragen, so wurde ihm die Mundhöhle mit Eigelb eingerieben, das sollte das Zahnen erleichtern.

Die Taufe fand in den früheren Zeiten in der Kirche statt. Von allen zehn Dörfern, die zum Kirchspiel Breidenbach gehörten, brachten die Leute ihre Kinder zur Taufe in die Breidenbacher Mutterkirche. Dabei muss man bedenken, dass die Kirche ungeheizt war. Das Taufwasser mussten Schulkinder in die Kirche bringen. Der Taufstein stand hinter dem Altar. Er ist noch erhalten und stand lange im Pfarrgarten des 1. Pfarrhauses als Blumenkübel. Heute steht er wieder in der Kirche links neben dem Altar. Gefeiert wurde die Taufe bei Kaffee und Kuchen; abends gab’s gebackene Eier, Brot und Wurst.

Kehrte der Geburtstag eines Kindes wieder, so band man ihm buntfarbige Bänder an den linken Arm. Die größeren Kinder gingen damit stolz durch’s Dorf und in die Schule, jedermann wusste dann: das ist ein Geburtstagskind! Am Geburtstag gab’s Kuchen und Kaffee.

Am ersten Schultag der Kinder ging es früher wie folgt zu: Sie bekamen ihre Brezel oder ihren Weck. Nur gingen damals die Kinder viel ängstlicher und bescheidener mit der Mutter zum ersten Male zur Schule. Die ganze Ausstattung bestand aus einer Schiefertafel und einer meist gedrechselten Griffelbüchse. Als Schultafel suchten sich früher die Kinder eine Schieferplatte, als Griffel diente ein weicher Steinsplitter vom „Läuseköppel“, den sie sich auf einem Sandstein etwas rund schliffen und der mitunter auch rot schrieb. Er wurde „Schmitzsteinche“ genannt.

Die Konfirmation fand an Pfingsten statt. Konfirmandenstunde war von November bis Pfingsten. Am Sonntag vor Pfingsten wurden die Kinder durch die Prüfung der Gemeinde vorgestellt. Nach der Einsegnung am Konfirmationstag nahmen die Kinder zum ersten Mal am Heiligen Abendmahl teil. Die Konfirmationskleider wurden vielfach, sowohl für Buben wie für Mädchen, ausgeliehen, weil zur Neuanschaffung das Geld fehlte. Vor Beginn der Konfirmationsfeier versammelten sich die Konfirmanden im Pfarrhaus und schritten beim Glockenläuten paarweise unter Voranschreiten des Pfarrers zur Kirche, wo die Gemeinde bereits versammelt war. Sowie sie die Kirche betraten, begann die Orgel zu spielen. Am Tag der Konfirmation blieb die Familie unter sich, am Vorstellungstag wurden Pettern und Goten zu Kaffee und Kuchen eingeladen und die Kinder erhielten von jedem ein Geschenk. Wegen dem Dienstantritt der Jugend wird jetzt an Ostern konfirmiert.

Der Dienstantritt und der Dienstaustritt fand am 3. Weihnachtstag statt. Der ganze Jahrgang begleitete die Magd oder den Knecht in die Dienststelle. Die Buben mussten den Kasten (Truhe) tragen, der die Kleider, die Wäsche und andere Habseligkeiten des Dienstsuchenden enthielt. Der Kasten war blau gestrichen und fein mit bunten Blumen, Herzen und Tulpen verziert. Untenher stand ein Spruch. Kamen sie an der Dienststelle an, so wurde der ganze Jahrgang von der Dienstherrschaft bewirtet: bei den Knechten wurde wohl auch noch ein Fässchen Bier aufgelegt, oder man ging noch in eine Wirtschaft. Eine, die als Magd gedient hatte, erzählte, dass sie in der einen Stelle als Bezahlung für das ganze Jahr 16 Taler erhielt, dazu ein Paar Schuhe, ein kleineres Stück Tuch (Leinen) und den Ertrag von einem Korb voll gesetzter Kartoffeln. In einer anderen Stelle erhielt sie 100 Mark für das Jahr und sonst nichts. Schaffen mussten sie ziemlich schwer, Feierabend gab es erst spät. Wer im Gasthaus diente, hatte es auch nicht leicht. Wenn da gegen Mitternacht noch Gäste mit Fuhrwerk ankamen, so musste noch gekocht werden, und die Tiere versorgt werden. Um 6 Uhr musste, wenn nicht besondere Erntezeiten waren, aufgestanden werden.

Verlobungen wurden fröhlich gefeiert. Abends um 11 Uhr fing es an, um 2 Uhr gab es Nachtessen, zu Anfang Kaffee und Kuchen. Die Feier dauerte bis zum nächsten Mittag, oft auch noch bis zum Abend. Fiel die Feier auf einen Sonntag, so wurde am Freitag vorher schon der Krautsalat gerichtet, dazu wurde Apfelbrei gekocht und Fleisch gebraten. Geschenke gab es früher nicht, heute schenkt man hauptsächlich Gegenstände aus Glas. Gehört der Bräutigam einer Burschen- oder Männerschaft an, so wird dem Brautpaar durch Vortrag von Liedern ein Ständchen gebracht, wofür dann etwas spendiert werden musste. Eine boshafte Sitte war es lange Zeit, wenn ein Mädchen vorher „mit einem anderen ging“ wurde in der Verlobungsnacht vom Hause des Mädchens zum Hause des früheren Liebhabers Sägemehl gestreut.

Bei den Vorfahren wurden die Heiratsleute zusammengebracht, nicht nach eigner Wahl sondern so, wie ihr Hab und Gut zusammenpasste. Das tat selten gut. Meist bediente man sich eines Freiermannes, der alles spruchreif machte. Er erhielt für seine Bemühung ein Paar lange Stiefel. Daher ist das Sprichwort entstanden, der will sich wohl die langen Stiefel verdienen. Später hat man es billiger getan. Oft hielt man auch doppelten Winkoff (Weinkauf, Verlobung), wenn zwei Häuser die Geschwister austauschten. Suchte man die Verbindung mit einem unbekannten Bauern oder der war der Werber, so wurde heimlich dessen Misthaufen gemessen, um danach die Größe seines Landbesitzes zu schätzen. Wollte ein Bursche ein Mädchen aus einem anderen Dorfe freien und es war dort ein Bursche, der das Mädchen auch haben wollte, so musste der fremde Freier gewärtig sein, beim Heimweg von den Burschen des Dorfes verprügelt zu werden.

Wenn zwei Verlobte heiraten wollten, so bestellte der Bräutigam das Aufgebot bei dem Bürgermeister und beim Pfarrer. Nachdem das Brautpaar 16 Tage „im Kasten“, der am Rathaus angebracht war, gehängt hatte, und der Pfarrer an drei Sonntagen der Gemeinde mitgeteilt hatte, dass folgende Personen gewillt sind in den heiligen Ehestand zu treten und er Gott um Segen für sie gebeten hatte, konnte die Heirat stattfinden. Kranz und Schleier wurde von der Braut ab und zu, aber doch nur selten getragen und dann nur von solchen, die noch unbescholten waren. Die Trauung in der Kirche fand früher nur im Beisein von zwei Trauzeugen statt. Vor der Kirchentür warten die Kinder und spannen Seile über den Weg. Sie ließen das Brautpaar erst durch, wenn es ihnen kleine Geldmünzen zugeworfen hatte. Die Hochzeitsfeier verlief ziemlich ruhig. Getanzt wurde nicht, aber gern gesungen. Oft wurden nur die nächsten Angehörigen und Paten eingeladen. Die Hochzeit fand in dem Hause statt, in dem das Brautpaar Wohnung bezog. Größere Hochzeiten von 70–80 Personen fanden wohl auch im Gasthaus statt, aber doch auch im Hause selbst, wo dann die ganze Nacht vorher die Braten, Salate und weitere Gerichte vorbereitet wurden.

Der Brautwagen, der das Heiratsgut der Braut in die neue Wohnung brachte, enthielt eine Himmelbettstelle, einen Schrank, in ganz günstigem Fall eine Kommode, einen bemalten Kasten, zwei Stühle, Wassereimer, sämtliche Geräte zur Flachsbereitung, wie Breche, Schwingstock, Hechel und Spinnrad. Dann Körbe, Kitzel und Plauel. Um den Wagen herum hingen die Kleidungsstücke, so viel als man in 50 Jahren brauchte.

In Krankheitsfällen ist es Sitte, dass die Nachbarn und Verwandten dem Kranken kräftige Suppe, Eier, Wecke oder sonst etwas Gutes bringen, damit er sich „erkowert“, d. h. erholt. Ist aber der Tod eingetreten, so geht ein Nachbar in die Kirche um zu „kleppen“, das heißt, er gibt der Gemeinde durch Läuten bekannt, dass ein Dorfbewohner das Zeitliche gesegnet hat. Dabei gibt er zugleich zu erkennen, ob es ein Kind oder ein Erwachsener war, der verschieden ist. Das Geläute mit der kleinsten Glocke, früher Schulglocke genannt, wird beim Tod eines Kindes zweimal, bei einem Erwachsenen dreimal unterbrochen. Die Leichenschau, die früher vom Pfarrer, einem Lehrer und dem Kirchendiener ausgeübt wurde, ist heute Sache des Arztes.

Um elf Uhr wurde durch Läuten mit drei Glocken nochmals auf die Beerdigung aufmerksam gemacht. Das heißt: Es wird zum Grabe geläutet. Fünf Minuten vor der festgesetzten Beerdigung wird nochmals ein kurzes Glockenzeichen gegeben. Der Pfarrer und in früheren Jahren auch der Lehrer mit den ältesten Schulkindern, gingen nun zum Trauerhause, wo sich schon die Trauergemeinde versammelt hat. Die Kinder sangen dann ein passendes Lied aus dem Gesangbuch. Dann setzte sich der Trauerzug in Bewegung. Früher immer einer hinter dem anderen her im Gänsemarsch. Die Frauen hingen das große schwarze Trauermäntelchen soweit über den Kopf, dass es das Gesicht fast ganz verdeckte. Bis zum Jahre 1880 war es Sitte, dass die Kinder dauernd bis zum Friedhof sangen. Jedes Kind erhielt dafür 5 Pfennig. In Wolzhausen durften sie es behalten, in Breidenbach wurde dafür in der Schule gemeinschaftlich Kreide, Schwamm und Tinte angeschafft.

1919 wurde das Singen der Kinder bei Beerdigungen abgeschafft. Der Kreislehrerverein hatte festgestellt, dass das Leichensingen für einen Lehrer unwürdig sei. Es sang dann ein Jungmädchenchor, aber seit 1930 sangen sie nur noch, wenn ein Mitglied ihrer Gemeinschaft, zu der sie gehören, begraben wurde. Den anderen Volksgenossen sangen sie nicht mehr. Später war es so, dass der Pfarrer am Trauerhause und auf dem Friedhof ein Lied angab, dass dann die ganze Trauergemeinde sang. Auf dem Friedhof hielt der Pfarrer eine Trauerrede und verlas die Personalien. Nach der Einsegnung beschloss ein Lied die Trauerfeier. Die Bekenntniskirche hielt auf dem Friedhof eine allgemeine Predigt, ohne Beziehung zu dem Verstorbenen. War der oder die Verstorbene Mitglied der Frauenhilfe oder des Männergesangvereins, so sangen die Vereine. Das hat aber auch in den Jahren von 1930–1940 ein Ende gefunden. Bei Mitgliedern des Kriegervereins ging der Verein in Uniform mit und gab bei Kriegsteilnehmern drei Ehrensalven ab. Auch die Feuerwehr und die Gendarmerie gingen beim Tode eines Kameraden in Uniform mit. Die Vereine legen mit ehrenden Worten am Grabe einen Kranz nieder.

Kränze bekamen die älteren Leute keine, höchstens von einem Verein, aber den jungen Leuten werden Kränze gebunden und junge Mädchen trugen sie hinter dem Sarg her. Die Kirchenglocken läuteten, bis der Trauerzug auf dem Friedhof angekommen war. Bis 1878/1880 wurden die Särge auf einer Tragbahre zum Friedhof getragen. Später kamen erst die Sarggriffe auf. Die Schreiner hatten sich in der damaligen Zeit verabredet, alle Särge ohne Ausnahme mit Kynruss schwarz anzustreichen. Darüber wurde das schwarze Bahrtuch gebreitet. Verzierungen an Särgen gab es damals noch keine, nur den Kindern wurde eine Krone aus Messing mit allerlei Verzierungen daran auf den Sarg gelegt. Sie war Eigentum der Gemeinde und angefertigt von einem Schmied aus Niederdieten. Da sie sich leicht mit Grünspan überzog, musste sie jedes Mal geputzt werden, was bei den vielen Verzierungen viel Arbeit war. Von 1890 an kamen die künstlichen Kränze auf und mit ihnen und mit Sträußchen schmückte man nun die Kindersärge.

Bis zum Jahre 1813 wurden von 8 umliegenden Gemeinden die Toten alle in Breidenbach bei der Kirche begraben. Die Auswärtigen brachten die Toten schon früher hierher und wurden in einem Schuppen in Milchsacks (Alescholze) Garten (dem jetzigen Schulhof) untergestellt. Das Singen bei der Beerdigung der Auswärtigen übernahm gegen Bezahlung der Breidenbacher Lehrer.

Die Adligen und die Pfarrer und ihre Frauen hatten nach den Kirchenbüchern das Recht in der Kirche begraben zu werden. Die Pfarrer und ihre Frauen setzte man an der Seite bei, wie noch einige in die Wände eingesetzte Grabsteine beweisen. Die Adligen wurden im Mittelgang beigesetzt. Einmal wurde dem Pfarrer von der Kirchenbehörde eine Rüge erteilt, weil man vor der Kanzel eine erwachsene adlige Person beigesetzt hatte, wozu das ganze Gestühl hier hatte entfernt werden müssen. Hätte man an der Stelle ein Kind beigesetzt, so wäre das Ganze nicht nötig gewesen.

Manche alten Sitten und Gebräuche, die früher bei einem Sterbefall üblich waren, sind mit der Zeit eingestellt worden. Früher wurde bei den Toten Wache gehalten. Dabei gab es Kaffee und Wecke und hinterher Schnaps. Im Laufe der Zeit wurde dieser Brauch, wie viele andere abgeschafft. Nach der Beerdigung erhielten die Träger, Verwandten und Bekannten im Trauerhause Kaffee und zwei Wecke. Wer den Verstorbenen in seiner Krankheit besucht hatte oder ihm sonst eine Freundlichkeit erzeigt hatte, ebenso die alten Leute im Dorfe bekamen Wecke und Milch, manchmal auch Kaffeebohnen und Zucker gebracht.

Eine besondere Rolle spielte noch das Totenhemd. Die Tochter führte Personen zum Abschied nehmen zu ihrer toten Mutter, die eine fröhliche Frau gewesen war und nun nach einem arbeitsreichen, treuerfülltem Leben heimgegangen war. Eine der Frauen sagte: „Was hat sie für ein schönes Sterbehemd an“. Man sah der Tochter an, dass sie sich über diese Bemerkung freute. Das Sterbehemd hat jede Person schon seit Jahren bereit liegen. Der Lein dazu wurde selbst auf dem Acker gezogen, dann bearbeitet und gesponnen, selbst gewebt und selbst genäht. Und wenn es dann schneeweiß gebleicht und schön gefaltet und glatt gebügelt in der Truhe lag, so war es eine Freude für die, die es sich bereitet hatten. Man muss da an das Gedicht von Chamisso „über die alte Waschfrau“ denken, wo es am Ende heißt: Und ich an meinem Ende wollte, ich hätte jenem Weibe gleich erfüllt, was ich erfüllen sollte, in meinem Amte und Bereich. Ich wollt’ ich hätte so gewusst am Born des Lebens mich zu laben, und könnt’ am Ende gleiche Lust an meinem Sterbehemde haben. Starb der Hausvater, so wurde bei den Bienen geklopft und gesagt: „Euer Herr ist tot“.

Die Nachbarhilfe war selbstverständlich gute Sitte. Beim Hausbau halfen alle Nachbarn durch freie Fuhren von Erde und Steinen. Wer zum Hausaufschlag kam, brachte einen Korb voll Essen mit: Butter, Eier, Käse, Wurst und Brot. Diesen Korb trug die Frau auf dem Kopfe. Ohne Gott wollten die frommen Landleute nicht leben. Wurde die Arbeit in Feld und Garten angefangen oder kam Donner und Blitz, so sagten sie: Gott walt’s. Am Schluss der Arbeit hieß es: Gott sei Dank. Muss jemand etwas Schweres heben, so spricht er: mit Gottes Hilfe.

Der Aberglaube

Beginnen wir mit dem täglichen Brot. Beim Ansäuern des Brotteiges macht man einen Längsstrich und drei Querstriche, also drei Kreuze darüber. So hatte es die Mutter und Großmutter gemacht und so macht es die Frau, die es mir erzählte, heute noch. Der Aberglaube sagt: „Jetz kah de Häxe nedd droh!“

Die anderen sagen: Gottes Segen ruht auf dem Brot.

Wenn einem Menschen das Brot nicht mehr schmeckt, so sagt man: Er hat das Bieber! Der Erkrankte muss dann morgens vor Sonnenaufgang stillschweigend dreierlei Hölzer holen und sie dem im Dorfe bringen, der sich auf die geheime Kunst versteht. Der legt sie in Wasser. Schwimmen sie alle oben, ist die Erkrankung nicht schlimm, gehen sie alle unter, so ist sie schlimm.

Brot mit in die Ferne nehmen, schützt vor Heimweh und vor bösen Geistern.

Brot „die liebe Gottesgabe“, darf man nicht mit Füßen treten, sonst muss man noch Hunger leiden. Ein Stückchen Brot, das man auf dem Wege findet, muss man auf einen Stein legen. Wer auf das Brot tritt, wird auf dem linken Ohr taub.

Mit Brot darf man nicht spielen, sonst kommt man nicht in den Himmel. Bei Milchsuppe darf man das eingebrockte Brot nicht mit dem Messer schneiden, sonst schneidet man der Kuh die Milch ab. Brot, welches man angebissen hat, muss man auch fertig essen; wenn es ein anderer isst, so isst er einem die Kraft fort. Brosamen darf man nicht umkommen lassen, sonst sammelt sie der Teufel und gibt sie einem in der Hölle glühend heiß zu essen. Sie dürfen auch nicht auf die Erde geworfen werden. Wenn jemand darauf tritt, so weinen die armen Seelen und es tut ihnen weh. Man muss sie dem Vieh ins Futter tun oder ins Feuer werfen, dann bekommt sie eine arme Seele. Nachts soll immer etwas Brot im Hause sein, damit der Segen nicht aus dem Hause geht. Wurde eine neue Kuh in den Stall gebracht, so machte man drei Kreuze auf die Schwelle, damit Gott die Tiere bewahre. Aber als Missbrauch des Namens Gottes erscheint es uns, wenn einem jungem Rind zum ersten Male das Joch aufgelegt wird und man dazu spricht: „Ich joche dich, ich binde dich im Namen Gottes des Vaters usw.“.

Wenn man am Silvestertag die Hühner in einer im Kreis gelegten Kette füttert, so sollen sie im neuen Jahre nicht fortlegen. Milch von einer ganz schwarzen Kuh soll unsichtbar machen. Schafe sollen Glück bringen: „Schafe zur Linken, tut Freude dir winken; Schafe zur Rechten, gibt’s was zu fechten“. Pferde nehmen teil am menschlichen Leben, bei den alten Deutschen wurden die Pferde fast zur Familie gerechnet, wie eine Person behandelt. Mit Pferdeknochen und Pferdemist heilte man Krankheiten. Weiße Pferde bringen Glück. Für junge Mädchen gilt: „Pferde weiß und braun, wirst du heut’ noch den Geliebten schaun“. Pferde wittern Geister und unheimliche Orte, über letztere sind sie nicht wegzubringen, es sei denn, man bete ein Vaterunser. Einer, der sich mit Bosheitszauber abgab sagte, er könne jedes Pferd zum Stillstehen bringen, so dass es ohne seinen Willen keinen Schritt mehr tun könne. Seine Kumpane gingen mit ihm auf die Felder, wo mehrere mit Pferden pflügten. Als sie zum ersten kamen sagten sie: „Nun zeige uns dein Kunststück“. Aber er ging vorüber und sagte: „Das Pferd gehört einem frommen Mann, da kann ich nichts tun“.

Am „Hinnel“ wollten Breidenbacher den Schimmelreiter gesehen haben. Der Schimmelreiter war der wilde Jäger, den ja auch der Breidensteiner Bote auf seinen Postgängen nach Marburg glaubte gesehen zu haben.

Meerschweinchen sollen den Rotlauf an sich ziehen. Katzen bedeuten Unglück, sie sollen einem morgens früh nicht über den Weg laufen. Wenn die Katze sich putzt und einen krummen Buckel macht, dann kommt Besuch.

Hunde sind auch geistersüchtig und in Beziehung auf den Tod wahrsagend. Er zeigt kommendes Unglück durch Heulen an. Man kann das Unheil abwehren, wenn man den heulenden Hund beim Namen ruft.

Schweinen begegnen bringt Unglück, wenn man nicht rechts ausweicht. Ein über den Weg laufender Hase bedeutet Unglück. Elfen, allerlei Unholde und Hexen verwandeln sich in Hasen. Wenn viele Vögel, besonders Raben, miteinander fliegen, bedeutet das Krieg. Der Kuckuck, der zu den Göttervögeln gehört, gilt als weissagend. Wenn er im Frühling das erste Mal ruft und man hat Geld in der Tasche, dann hat man das ganze Jahr Geld, hat man Hunger, dann hat man das ganze Jahr Hunger. So oft er mal ruft, so viele Jahre hat man noch zu leben.

Singvögel, die zu früh singen, fängt die Katze. Weiße Spatzen oder Finken bedeuten schlechte Jahre. Wenn sich ein Marienkäfer auf die Hand setzt, bedeutet das Glück; soviel Punkte er auf den Flügeln hat, so viel kostet das Korn nach der Ernte. Spinnen am Morgen bringt Kummer und Sorgen. Spinnen am Mittag bringt Glück für den andern Tag. Spinnen am Abend ist erquickend und labend. Wenn die Kreuzspinne mit dem Rücken nach oben im Netz sitzt, gibt es gutes Wetter, umgekehrt schlechtes Wetter.

Eine Kuh bekam Beulen an dem Euter, kein Mittel half. Da riefen sie den Puderbacher Hirten. Der sagte: Hole drei Kornähren mit langen Stielen und wickele sie zu einem Kranze zusammen. Den hielt er unter das Euter und sagte seinen Spruch. Dann gab er den Kranz der Frau und sagte: Lege ihn unter die Dachtraufe, damit er fault. Sie tat es, das Euter heilte und blieb gesund.

Die Försters Mutter hatte ein Schweinchen gekauft. Als sie es im Stall hatte, fraß es nicht. Sie ging zu der Frau, von der sie es gekauft hatte. Die ging mit, besprach das Tier und von da ab fraß es. Der alte R. hatte ein Mutterschwein, das nahm die Ferkel nicht an. Als der Puderbacher Hirt kam und das Tier besprach, nahm es die Ferkel an. In der Mühle ist auf allen Schwellen zu dem Haus und den Ställen ein rundes Loch. Als vor langen Jahren einmal das Vieh im Stall verhext war, hat der Puderbacher Hirt dem früheren Müller ein Pulver gegeben, das musste er in diese Löcher schütten und die Löcher zumachen. Das half! Einem anderen Manne, dem die Ferkel tot gingen, half eine Salbe, die der Puderbacher Hirt ihm gab und die er in die Gefächer der Stalltüre streichen musste.

Am Johannistag soll man nicht auf einen Baum steigen. Wenn am Silvestertag um 5 Uhr zum letzten Male im alten Jahre der Sonntag eingeläutet wird, muss man, so lange es läutet, Strohseile um die Obstbäume binden. Dann tragen sie im nächsten Jahre gut. Der vernünftige Sinn in dieser Handlungsweise ist, dass sich das Ungeziefer im warmen Stroh festsetzt und im Frühjahr, wenn die Strohseile abgenommen werden, mit verbrannt werden. Aber es braucht nicht gerade beim Dreiuhrläuten zu geschehen.

Man glaubt auch, die im Aufgrünen der Sträucher zutage tretende Lebenskraft durch den Schlag mit der Lebensrute auf Acker, Vieh und Menschen übertragen zu können. Beim Flachssäen muss man lange Schritte machen, dann wird der Flachs lang. In manchen Gegenden wird er am 12. Mai, am Pankratiustag, gesät, es sollte Mittag zwischen 11 und 12 Uhr geschehen. In Breidenbach war es Brauch in den Flachsacker eine lange Haselrute zu stecken, so lang wurde der Flachs und es wurde bester Flachs.

Auf heilkräftiges Wasser wurde viel Wert gelegt. Heilkräftig war es nicht durch die Substanzen die es enthielt, sondern man glaubte, dass es heilkräftig dadurch wurde, dass es zu bestimmten Zeiten und Stunden geschöpft wurde. So erhielt der Nachtwächter oft den Auftrag nachts zwischen 12 und 1 Uhr fließendes Wasser gegen den Strom zu schöpfen. Entzündete Augen, mit diesem Wasser gewaschen, sollten geheilt sein. Eine Großmutter nahm als ihr Enkelkind an Mundfäule erkrankte, drei Eichenblätter und das erkrankte Kind mit an fließendes Wasser. Sie wusch unter Anrufung des Namens Gottes mit den drei Eichblättern und dem fließendem Wasser den Mund aus und er heilte. Wenn man ein neugeborenes Kind zum ersten Male über fließendes Wasser trägt, muss man einige Krümmelchen Brot ins Wasser werfen. Dann sind die Wassergeister dem Kinde gut. Der Wasserspiegel wurde viel benutzt. Als der Puderbacher Hirte zu einer kranken Kuh ins Dorf gerufen wurde habe er, nachdem er der Kuh geholfen hatte, eine Bütte mit Wasser gefordert, um darin die Frau zu sehen, die der Kuh den Schaden zugefügt hätte. Wirklich hätten sie im Wasser das Bild der Frau gesehen, der sie die Kuh noch nicht ganz bezahlt hatten.

Als Alljosts Haus brannte, halfen die Leute die Sache heraustragen. Nachher fehlte ein Betttuch. Da man nicht herausbekam, wer es gestohlen hatte, fragte man den Puderbacher Hirten um Rat. Der zeigte ihnen im Wasserspiegel die Frau, die es genommen hatte. Sie hatte es auch wirklich gehabt. Die Gesundheit erhält man sich, wenn man sich mit Osterwasser wäscht. Das muss vor Sonnenaufgang stillschweigend gegen den Strom geschöpft werden. Dieses Wasser verdunstet nicht, verdirbt nicht und heilt alle Wunden. Die es mir im Dorfe erzählte fügte hinzu: „Ist die Wahrheit“. Dass der Mond Einfluss auf das Geschehen der Erde und auf Mensch und Tier hat, ist ja bekannt durch Ebbe und Flut, durch das Anbellen des Vollmondes durch Hunde und durch Nervenkrankheiten der Menschen, die während der Vollmondzeit schlimmer werden. Wenn eine alte Bauernregel sagt, dass man bei zunehmenden Mond die Gewächse sähen soll, die die Frucht über der Erde tragen, bei abnehmenden Mond diejenigen, die die Frucht unter der Erde bringen, so kann man das ja ausprobieren, ob es Unsinn ist oder ob es uraltes Väterwissen ist. Ebenso dass man sich bei zunehmenden Mond die Haare schneiden lassen soll, dann wachsen sie besser. Unsinn wird schon sein, dass man sich bei abnehmendem Mond nicht wiegen oder messen lassen soll, sonst schwindet man dahin.

Die wichtigste Schicksalszeit war die der heiligen 12 Nächte von Weihnachten bis zum Dreikönigstag am 6. Januar. Diese verhängnisvolle Zeit der Wintersonnenwende gehörte in das Gebiet des Wotandienstes, diese Zeit „zwischen den Jahren“. Schon die Alt-Inder feierten diese Zeit. In dieser Zeit haust der wilde Jäger. Je eifriger er jagt, d. h. je gewaltiger der Sturm tobt, umso fruchtbarer wird das Jahr. Jeder der 12 Tage ist eine Vorbedeutung für einen Monat des neuen Jahres. Die häuslichen Arbeiten sollen ruhen. Es darf nichts umgehen, d. h. kein Rad soll sich drehen. Es darf nicht gesponnen werden, sonst spinnen die Hexen weiter und der Teufel dreht Ketten daraus. Dass kein Rad sich drehen soll, wurde in Beziehung gesetzt zu der jetzt scheinbar ruhenden Sonne. Das Rad, das Feuerrad war das Sinnbild der Sonne. Der Sonne geweiht war das Gold, das goldige Haar, der Flachs, von „Strahl“ kommt strählen. Ebenso waren das Spinnrad und die stechende Spindel der Sonne geweiht. Wahrspruch: Die Sonne bringt es an den Tag.

Wenn in der Weihnachtszeit der Mond scheint, soll es ein fruchtbares Jahr werden. Am Silvestertag legte man einen Holzklotz ins Herdfeuer. Wenn am letzten Tag das Dreiuhrläuten beendet war, nahm man den Klotz aus dem Feuer, löschte ihn und trug ihn auf „die Läwe“ (den Speicher). Er sollte das Haus vor dem Blitz behüten. Diese Sitte ist schon 1184 im Münsterland erwähnt. Hier wurde er aber am 1. Weihnachtstag angebrannt. An der Mosel heißt er „Winnachtsploch“, in Bayern „Mottenblock.“ Von den Gebräuchen in der Neujahrsnacht ist am bekanntesten das Bleigießen, Tischrücken, Kartenlegen, das Losziehen, das Wahrsagen nach dem Punktiertüchlein und das Stechen und Aufschlagen von Büchern, am liebsten von alten Erbbibeln und Gesangsbüchern.

Die zweite wichtige Schicksalszeit ist das heidnische Frühlingsfest, das christliche Osterfest. Alles was ein Bild neu ersprießenden Lebens ist, gehört in diesen Kreis: Eier, Wasser (Osterwasser), Sonne. Gründonnerstagseier sollen sich das ganze Jahr frisch halten: Man legt sie einfach nur auf den Schrank. Die durch ganz Deutschland gehende Sitte der gefärbten Ostereier, die der Osterhase legt, ist unzweifelhaft heidnischen Ursprungs. Rot und Gelb sind die Sonnenfarben. Der Hase, das Sinnbild der Fruchtbarkeit, gehörte der Frühlingsgöttin Ostera, ihre Herde bestand aus lauter Hasen. Manche wollen auch die Ostereier auf christlichen Ursprung zurückführen: Man aß Ostereier zum Zeichen, dass die Fastenzeit vorbei war.

Die Nacht von Gründonnerstag (an diesem Tag soll man was Grünes essen) auf Karfreitag ist günstig für sympathetische Kuren. Der Karfreitag als Leidenstag hat alle Freitage zu Unglückstagen gestempelt. Das am Karfreitag vor Sonnenaufgang oder um Mitternacht schweigend im Namen Gottes geschöpfte Wasser (das stille Wasser) soll große Heilkraft haben. Karfreitagseier, am Ostermorgen nüchtern gegessen, geben große Kraft und behüten vor Bruchschaden. Regnet es am Karfreitag, so versengt der Rasen im Jahre sieben Mal.

Das Pfingstfest ist weniger in den Bereich des Aberglaubens gezogen worden. Der Pfingstbaum fällt mit dem Maibaum zusammen, die alte Sitte des Ausschmückens der Häuser und Kirchen mit Birkenlaub bekundet das Sommerfest, der blumengeschmückte Pfingstochse deutet auf altes Opferfest.

Am Himmelfahrtstag macht die Sonne drei Freudensprünge und geht schöner auf als an anderen Tagen. Kräuter an diesem Tage vor Sonnenaufgang schweigend und nüchtern gepflückt, haben, besonders für das Vieh, große Heilkraft. Kürbisse soll man pflanzen beim Einläuten des Festtages am Abend vorher. Der Johannistag ist besonders verhängnisvoll, da die übernatürlichen Mächte mit besonderer Stärke walten. Die guten Mächte sind den Menschen dienstbar, gegen die finsteren Mächte sucht man sich zu schützen, indem man an Türen und Fenstern ein Kreuz macht, überall im Hause zauberkräftige Blumen und Kräuter hinstellt und einen alten Besen vor die Tür legt. Man soll an diesem Tage keine Gartenarbeit tun, kein Gewächs berühren, sonst verkümmert es. Keinen Baum besteigen, nicht aufs Wasser gehen. Wo man in der Nacht blaue Flämmchen sieht, liegen Schätze verborgen. In dieser Nacht soll man 9 Kräuter pflücken, darunter müssen Kamille und Flieder sein. Zum Kranz gewunden und im Hause aufgehängt schützen sie das Haus bei Gewitter und gegen die bösen Mächte. Johanniswasser ist heilkräftiger als neun andere Bäder.

Von den Wochentagen gilt der Sonntag als Glückstag. Der Montag gilt als Unglückstag, da darf nichts unternommen werden, was Dauer haben soll, denn es wird, wie der Mond, nicht wochenalt. Da aber der Mond bei fast allen Völkern als Förderer der Fruchtbarkeit gilt, ist der Montag gut für alles was wachsen soll, also zum Säen und pflanzen. Der Dienstag, schwäbisch Ziustag, war dem Kriegsgott Ziu geweiht, Tag des Schwertes, des Gerichtes. Günstig zum Antreten eines Dienstes und für Verträge. Am Mittwoch soll Judas seinen Herrn verraten haben, Unglückstag, da darf nichts Wichtiges unternommen werden. Donnerstag unheilvoll, „des wilden Donars Tag“. Keine Hochzeit, sonst donnert es in der Ehe. Aber auch der Tag der rechtlichen Ordnung, Gerichtstag, auch Tag der Gesellschaften, daher der Ausdruck: Aufgedonnert. Dem Donar waren die Erbsen geweiht, also am Donnerstag Erbsen aussäen. Vom Freitag war schon die Rede. Bei den Heiden war er ein Glückstag, alle Zaubereien gelangen, man sollte da zum ersten Male anspannen bei zunehmendem Mond. Man soll sich die Haare und Nägel schneiden lassen, dann wachsen sie gut und man bewahrt sich vor Zahnschmerzen. Freitagskinder am Sonntag getauft, sind den Sonntagskindern gleich. Freitag die Ernte beginnen. Aber kein Obst abnehmen, sonst trägt der Baum im nächsten Jahre nicht. Man darf nicht von Hexen reden, sie hören es und rächen sich. Man darf auch nicht „Hexen“ sagen, sondern „böse Leute“. Man darf ihnen nicht dreimal antworten, auch nicht mit „ja“ oder „nein“ antworten, sonst bekommen sie Gewalt über einen, man muss sie zuerst anreden, dann können sie einem nichts tun.

Freitags ändert sich das Wetter. Am Sonnabend soll nicht gesponnen werden, jede Spinnerin soll ihre Kunkel leer gesponnen haben, sonst spinnen die Hexen. An diesem Tage soll nicht gesät und gedüngt werden. Soll keine Arbeit begonnen werden. Nach dem 5-Uhr-Läuten soll keine Wiese gewässert werden, sonst muss man es nach dem Tode tun. An den Tagen, die eine 7 haben, soll man nicht säen (7, 17, 27), sonst hat man eine schlechte Ernte.

Man sieht, der unglücklichen Tage sind es mehr als die glücklichen und der abergläubische Mensch wird seines Lebens nicht recht froh.

Beim Essen und Trinken werden auch allerlei Gebräuche beachtet. Das Brot darf nicht verkehrt auf dem Tisch liegen, sonst gibt man bösen Menschen Macht über das Haus. Während dem Begräbnisläuten darf man nicht essen, sonst bekommt man hohle Zähne. Wem Messer oder Gabel während des Essens hinfällt, darf nicht weiter essen, sonst verdaut er nicht. Mit Salz darf man nicht spielen, auch es nicht verschütten, sonst muss man für jedes vergeudete Körnchen Salz einen Tag vor der Himmelstür stehen. Hat man Salz umgeworfen, muss man ein wenig davon zum Fenster hinauswerfen, sonst gibt es Streit. Das Messer darf nicht mit der Scheide nach oben liegen, sonst müssen die armen Seelen barfuß darüber gehen; auch dürfen Messer und Gabel nicht kreuzweise auf dem Teller liegen, das nimmt den Segen fort. Die Gesundheit erhält man sich, wenn man sie nicht beruft. Langes Leben hat man, wenn man viel Suppe isst, langsam isst, nicht neugierig ist und keine Totenblumen abpflückt. Kraft erhält man, wenn man Knoblauch in der Morgensuppe isst. Schönheit erlangt man, wenn man sich mit Märzschnee, Osterwasser oder Maientau wäscht, einen Hasen isst und kalten Kaffee trinkt.

Gegen Berufen schützt man sich indem man sagt: „Unberufen“ und drei Mal unter den Tisch klopft. In jedem Dorfe gab es Menschen, die als Zauberer gescheut wurden. Ohne Zweifel haben viele unter diesen Verdächtigungen schwer zu leiden gehabt. Wenn es beim Buttern keine Butter gab, stach man mit einer Gabel in den Rahm. Dann hätte es nicht lange gedauert, dann sei die Frau, die den Rahm verhext hatte, hereingekommen und habe gesagt: „Was macht ihr denn da, wollt ihr wohl aufhören!“ Sie fühlte sich ins Fleisch gestochen. Nachher habe es aber Butter gegeben.

Eine große Rolle spielte im Hinterländer Aberglauben auch der Koppelring, das ist der Ring, der der Kuh um den Hals geschnallt wird. Lieschen erzählte, es sei selbst mit seiner Mutter auf der Wiese gewesen, um Heu aufzuladen. Vor dem Wagen hätten sie ihre 2 Kühe gehabt. Da habe es plötzlich laut aufgeschrien, denn die eine Kuh habe mit im Koppelring der anderen gesteckt, habe schon die Zunge heraushängen gehabt und sei am Ersticken gewesen. Auf ihr Schreien seien die Leute von den anderen Wiesen herbeigelaufen, aber auf einmal sei die Kuh wieder aus dem Koppelring heraus gewesen. Der Koppelring sei so eng, dass eine Kuh nicht von selbst in den Ring hineinkommen könne. Eine andere erzählte: Eine Frau habe Mist auf einen Acker ganz nahe beim Dorf gefahren und auf einmal habe sie laute Schreie getan. Als die Leute hingekommen seien, habe sie bei der Kuh im Koppelring gesteckt und sei schon ganz blau gewesen.

Lieschen erzählte weiter mit heißen Backen, glänzenden Augen und ganz von der Wahrheit überzeugt: Früher konnten sich die Leute verwandeln. Das verstanden die, heute kann man’s nicht mehr. Da war eine Frau, die immer Gras rupfte, wo sie nicht durfte. Wenn der Förster sie erwischte, verwandelte sie sich schnell in einen Strauch. Wenn aber der Förster, der Bescheid wusste, sagte: Strauch, ich hacke dir die Füße ab, verwandelte sie sich schnell wieder in einen Menschen. Die Füße wollte sie doch nicht abgehackt haben.

Aber eine andere Frau aus N. verwandelte sich immer in einen Hasen und stahl den Leuten auf dem Feld die Brote. Die schlugen dann nach ihr und dann ging sie am nächsten Tage mit ganz zerschundenem Gesicht herum.

Nun noch ein Wort über den bösen Blick. Es ist scheinbar die geistigste, am wenigsten äußerlich vermittelte Art des Zauberers nur durch den Blick zu wirken, aber immer zu bösen Zwecken. Daher „der böse Blick“. Entstanden ist er unzweifelhaft durch die unheimliche Gewalt eines boshaften Blickes bei Menschen und manchen Tieren, z. B. Schlangen. Er kommt schon bei den alten Indern und im klassischen Altertum vor. Er ist nun nicht immer der Ausdruck eines starken, seines Zweckes sich bewussten Willens, sondern mehr ein ungeistiges magisches Wirken ohne Willen des Menschen. Er gilt also als angeboren, während andere Menschen trotz ihres Willens keine Wirkung durch ihren Blick ausüben können. Wenn gute Menschen den bösen Blick haben, so können sie durch ein zweites Hinsehen den Schaden wieder gut machen. „Berufen“ ist der in Worte ausgedrückte „böse Blick“.

„Weissagung“ ist unmittelbare göttliche Gnadengabe dazu Berufener. „Wahrsagung“ ist eine durch menschliche Anstrengung erlernbare Kunst, die sich durch eine meist geheim gehaltene Überlieferung fortpflanzt. Sie sind also keine Inspirierte, sondern Betrüger. Erben einer überlieferten Weisheit. Ein Gesicht hat der wachende, einen Traum der schlafende Geist, das ist der ganze Unterschied. Erstere werden nur wahrgenommen von dazu Befähigten oder nur von denen, die es angeht. Derjenige, an den der Sterbende zuletzt denkt, erhält ein Zeichen, fühlt es.

Der durch Zaubersprüche und Beschwörungsformeln geübte Zauber ist nur scheinbar ein geistiges Mittel. In Wahrheit sind diese Formeln voll Sinnlosigkeit, und darauf legt der Aberglaube geradezu Wert. Eine Zauberformel soll eben anders klingen als eine sonstige verständige Rede. Sie werden auch selten laut gesprochen, sondern nur „gepispert“.

Die gebräuchlichste Besprechungsformel ist die erzählende. Das sind meist Knittelverse, der Reim spielt auch eine Rolle dabei. Sie enthalten meist etwas, das in gleichlautender Beziehung steht, in der kirchlichen oder natürlichen Wirklichkeit oder auch der dichtenden Phantasie. Einige Beispiele: „Um das Blut zu stillen“: In Gottes Garten stehen drei Rosen; die eine heißt Gottes Güte, die andere Gottes Geblüte, die dritte Gottes Wille; Blut, ich gebiete dir, stehe stille! Im Namen Gottes etc.

Gegen Entzündungen: Brand fall’ in den Sand, fall in den Grund, mach’ alles kranke Fleisch gesund. Das hilft auch bei Zahnweh, Gicht, Mundfäule und allen anderen Leiden. Ein Soldat macht sich „fest“ gegen Kugeln indem er spricht, damit die Hl. 3 Könige ihn beschützen: „Heiliger Caspar, sei ober mir, Hl. Melchior sei vor mir, Hl. Balthasar sei hinter mir und wendet alle Kugeln ab von mir.“

Der christliche Anhang und etwaige christliche Worte sind nur eine bewusste oder unbewusste Beschwichtigung des christlichen Gemüts wegen des heidnischen Tuns. Andere Formeln lauten noch: „Ich schöpfe und trinke Christi Blut, das ist für siebenzigerlei Fieber gut.“ (Lästerung)

Gegen Rose: „Rose du musst sterben und verderben, darfst dich nicht erheben, dass du könntest leben.“ Diese Formeln, auch wenn sie mit dem Namen der Dreieinigkeit verbunden sind, erheben sich doch nicht zum wirklichen Gebet. Sie richten sich nicht an Gott sondern an den zu bezaubernden Gegenstand, bitten nicht, sondern befehlen, also eine Selbsterhebung des Geschöpfes an Gottes Stelle.