Hütter Mühle
Autor: Hans-Günther Möntnich
Am 24. Juli 1571 erhielt der Waldschmied Tiel Nickel vom Landgrafen die Erlaubnis zum Bau einer Mühle mit oberschlächtigem Rad. Das Mühlrad wurde vom Wasser des Hüttengrabens der Eisenhütte angetrieben. Mühle und Graben sind auf einer Zeichnung aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu erkennen. Die Hüttenmüller mussten als Zins jährlich 6 Malter Korn auf die Biedenkopfer Rentei liefern.
Das Biedenkopfer Kirchenbuch dokumentiert als ersten Hüttenmüller Johann Ludwig Schwartz (1674–1723). Am 28.12.1707 erhielt er die Bürgerrechte, nachdem er aus der Leibeigenschaft entlassen wurde. Er baute die Mühle um und brachte am Eingang folgende Inschrift an: „Fide deo soli – mundo diffide“ (Vertraue Gott allein – der Welt misstraue).
Seine Frau Anna Elisabeth gebar ihm mindestens vier Kinder. Die älteste Tochter Maria Elisabeth heiratete den in der Hüttenmühle beschäftigten Müller Johann Jacob Schmitt aus Ewersbach, der 1737 als Müller in der Angelbacher Mühle bei Hatzfeld genannt wird. Der Sohn Johann Conrad stirbt 30jährig als Müllergeselle. Der jüngste Sohn starb 1718 mit eineinhalb Jahren. Tochter Anna Gertraud heiratete 1730 den Hüttenvogt Johann Matthäus Reitz, einen meiner Vorvorväter. 49jährig starb Müller Schwartz.
Sein Nachfolger wurde 23jährig Johann Ludwig Althaus von Elsoff, der im gleichen Jahr Anna Christina Pfeiffer ehelichte, die sieben Kinder zur Welt brachte. Vier Kinder verstarben früh.
Tochter Maria Gertraud heiratete 5 Jahre nach dem Tod des Hüttenmüllers Althaus 1848 den Sohn des Obermüllers Heinrich Lembach und Bruder von Jacob Lembach, Betreiber der Gontzhäuser Mühle. Die beiden Schwestern Anna Maria und Maria Elisabeth ehelichten einen Tuchmacher und einen Leinendrucker.
Die gut 10 Jahre währende Ehe brachte zwei Söhne, der jüngere verstarb bereits nach knapp 4 Monaten, und eine Tochter hervor. Sohn Johann Jacob starb als Müllergeselle 1790 mit 38 Jahren an einer auszehrenden Krankheit.
1759 ging die Müllerswitwe neun Monate nach dem Tod des Hüttenmüllers Lembach eine neue Verbindung mit Melchior Peter Pebler ein. Sie wurden wegen vorehelichen Beischlafs mit einer stillen Kirchenbuße belegt. Die Zivil- und Kirchenstrafe nahm der Herr Amtmann ein. Die sogenannte Accidenz musste an den Pfarrer und den Kirchensenioren entrichtet werden. Strenge und nicht ganz billige Sitten herrschten im 18. Jahrhundert.
Der Sündenfall Heinrich Balthasar lebte nur zwei Jahre. Ein weiterer Sohn starb mit 3 Jahren. Tochter Maria Elisabeth heiratete den Metzger Johann Conrad Breidenstein. Sie verlor ihre ersten drei Kinder durch die Blattern.
Der bereits oben erwähnte Müllerssohn Johann Jacob heiratete 1783 Maria Margaretha Pfeil, Tochter des Müllers Caspar Pfeil in der Biedenkopfer Untermühle. 1790 trägt sie drei von ihren 4 Kindern und den Ehemann zu Grabe.
Tochter Maria Gertraud ließ sich 1806 mit Hammerschmied Ludwig Döpp trauen. Nach fünfjähriger Witwenschaft heiratete Margaretha Lembach geb. Pfeil den Tuchmacher Kraft Ludwig Weiß von der Ludwigshütte. Dieser schulte zum Müller um. Ihm war ein grausiges Ende beschieden:
„Am 18ten December (1825) verunglückte Hüttenmüller Kraft Weiß, in dem er durch das Getrieb und Kammrad fast an allen Gliedern zerquetscht war, alt 58 Jahr. Er wurde den 20ten Nachmittags um 3 Uhr beerdigt.“
Fünf Kinder gingen aus dieser Ehe hervor. Zwei Söhne starben früh. Die älteste Tochter Maria Elisabeth heiratete 1814 den Hammerschmied Georg Ludwig Lettermann von der Ludwigshütte, Tochter Anna Clara ehelichte den Hütteninspektor Friedrich Carl Klein, den Gründer der Carlshütte. In Elmshausen starb sie 1857 an der roten Ruhr und wurde in Buchenau beerdigt.
Der jüngste 1805 geborene Sohn Johann Jost setzte die Hüttenmüllertradition fort und beendete sie auch. Im Alter von 20 Jahren verlor der den Vater durch schon beschriebenen tragischen Unfall. 1831 heiratete er Henrietta Elisabetha Schulz, eine Tochter des Hüttenmeisters Ernst Schulz. Die brachte vor der Ehe einen Sohn zur Welt, der von der Hebamme die Nottaufe erhielt und sogleich verstarb. Weitere Kinder blieben den Müllersleuten versagt.
Vor 1859 hatte Kraft Weiß den Mühlenbetrieb aufgegeben. In diesem Jahr wurde die „unbenutzte“ Hüttenmühle in eine Sandmühle, Brucheisentrommel und Schleiferei umgewandelt.
Möglicherweise fand er seinen Broterwerb im Hüttenwerk. 1879 verstarb der letzte Hütter Müller ein Jahr nach dem Tode seiner Ehefrau.
Im Jahre 1909/1910 wurde das Gebäude bei Erweiterung der Gießerei abgebrochen.
Quellen:
- Vom Ursprung und Werden der Buderus’schen Eisenwerke, Wetzlar, Bd. ff S. 272
- Copulations-, Geburts- und Sterbeprotokoll der Evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Biedenkopf
- Hinterländer Anzeiger vom 7. August 1937