Die Juden in Breidenbach

Aus Genealogen im Hinterland
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Die Juden in Breidenbach

Text von Norbert Nossek, im Oktober 2004.

Die jüdische Bevölkerung in Breidenbach

Die jüdische Bevölkerung in Breidenbach ist ein wichtiges Thema in der Breidenbacher Ortsgeschichte, denn deren Anteil an der Ortsbürgerschaft war zeitweise mit 14 % in 1858 recht groß. Das Dorfleben im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert lässt sich ohne die jüdischen Bürger nicht vollständig beschreiben, denn sie waren ein fester Bestandteil unserer Gemeinde. Jüdische Familien gab es in Breidenbach seit dem Dreißigjährigen Krieg, erste Erwähnung bereits in 1607. Die Familien Stern und Sonneborn lassen sich bis 1770 – 1760 zurückverfolgen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden die Juden bürgerrechtlich gleichgestellt und erhielten in 1808 bis 1809 infolge einer Proklamation die uns bekannten Familiennamen. In 1829 lebten hier 9 Familien mit 70 Personen. Danach lebten in 1830 – 66 Familien und in 1905 – 52 Familien hier in Breidenbach. (Siehe Statistik im Anhang). Breidenbach war eine Hochburg der Juden im Breidenbacher Grund, denn aus den heutigen Ortsteilen Breidenbach´s sind mir aus diesem Zeitraum keine jüdischen Bewohner bekannt. Die Aufnahme in die Familiengeschichte erschwert sich dadurch, dass sie nicht in die christlichen Kirchenbüchern eingetragen wurden und somit den Familienforschern nicht direkt zugänglich sind. Erschwerend ist die sehr unterschiedliche Schreibweise der Namen, insbesondere die Verkindlichung der Frauennamen. Die Juden hatten zu Beginn der Aufzeichnungen, keine Familiennamen, wie hier üblich. Es wurden ihnen z.B. in Katasteraufnahmen (1777) das Kürzel Judd. oder ähnlich dem Namen vorgesetzt, dieses änderte sich erst in 1809. Aus den mir vorliegenden Unterlagen, [Auszug aus dem Civil- Standes- Geburts- Register der Israeliten, der Gemeinde Breidenbach Kreis Biedenkopf ab 1823 bis 1874] und Geburten bis 1933 aus dem Breidenbacher Standesamtsregister, gab es während dieser Jahre 213 in Breidenbach geborene jüdische Kinder. Die Zuordnung dieser Kinder zu ihren Familien ist schwierig, da hier nur selten die Altersangaben der Eltern vorhanden sind. Ich denke, dass eine große Anzahl der Dokumente in hebräischer Sprache verfasst war, was wiederum Fehler in der Schreibweise durch eine mündliche Übersetzung in sich bergen konnte. Die häufigsten Namen in Breidenbach waren, Sonneborn, Stern, Löwenstein und Herzberg. Weitere Namen waren Gerson, Sundheim, Hirsch, Roth und Gunsenhäuser. Es war bei der jüdischen Namengebung üblich, dass der Name (erster Vorname), der Generation 1 als zweiter Vorname in der Generation 3 angehängt und der erste Name der Generation 2 dem Vornamen der Generation 4 angehängt wurde, somit kann eine Verdrehung solcher Doppelnamen nicht ausgeschlossen werden. Alles in allem bleibt es ein schwieriges und heikles Thema, dem sich vorsichtig zu nähern ist, denn Fehler bleiben bei aller Mühe nicht ausgeschlossen. In Bezug auf die Zeit vor 1915, dem Referenzjahr meines bisherigen Bearbeitungszeitraums der Ortsgeschichte, möchte ich die Geschichte der deutschen Juden im Zusammenhang mit der Breidenbacher Ortsgeschichte ganz unbefangen und neutral bearbeiten. Der Antisemitismus im Dritten Reich hatte seine Wurzeln schon unter Kaiser Wilhelm II. verbreitet. Der Kaiser, der von 1888 bis 1918 Deutschland mit seiner Politik prägte. Der Kaiser, der meinte, dass die Presse, die Juden und die Mücken eine Pest sind, von der sich das Deutsche Volk so oder so befreien müsse, für diesen Kaiser zogen unter anderem auch Breidenbacher Juden in den ersten Weltkrieg. War diese Stimmung um die Jahrhundertwende Ursache des Rückgangs der jüdischen Bevölkerung in unserem Ort, oder war es nur das mangelnde Einkommen, dass sie überwiegend in die neue Welt abwandern ließ. Der Einfluss verschiedener Kulturen über mehrere Generationen machte Breidenbach zu einem besonderen Dorf im Grund. Ein Beispiel im mundartlichen Sprachgebrauch sei hier genannt : das Wort “acheln” (schnell, hastig essen), kommt aus dem jüdischen ácheln, ein Wort das in den umliegenden Orten nicht gebräuchlich ist.

Die Schutzjuden

Die Juden hier im Land durften nicht einfach einem Gewerbe nachgehen oder ein Geschäft betreiben, dazu brauchten sie eine besondere Erlaubnis des Landesfürsten. Diese Erlaubnis, Schutzbrief genannt, wurde ihnen gegen Zahlung einer bestimmten Geldsumme ausgestellt. Das Schutzgeld wurde klassifiziert nach Vermögenslage und Größe der Familie, so konnte es auch vorkommen, dass es schlecht gestellten oder bettelarmen Familien erlassen wurde. In 1728 gab es bereits sechs Schutzjuden im Ort. Es wurden Loew Aron in 1749, Gumbel Joseph in 1744 und Gumbel Salmo in 1755, um einige zu nennen, ein Schutzbrief ausgestellt. Nicht nur die Kosten eines Schutzbriefes wurde ihnen auferlegt um ihr Geschäft zu betreiben, sie mussten zudem auch den üblichen Steuersatz bezahlen. In 1835 gab es 10 jüdische Gewerbetreibende und in 1858 gab es bereits 21. Zum größten Teil waren es Viehhändler, auch mit Metzgerei jedoch ohne ständigen Laden, was bestimmt steuerliche Vorteile hatte. Es gab Ellenwarenkrämer, Specereikrämer, Strumpf- und Baumwollenzeughändler meist hausierend, so wie einen Brandweinzäpfer und einen Schuhmacher hier im Ort.

Textilien und Öl – die Sonneborns

Auszug aus dem Buch “Abgemeldet zur Auswanderung” Band 2 von Jürgen Runzheimer, herausgegeben 1999 vom Hinterländer Geschichtsverein e. V.

Vielen Mitgliedern der Breidenbacher Familien Sonneborn und Stern gelang innerhalb von wenigen Generationen der Schritt vom Viehhandel zur Industrie, vom Krämerladen zur modernen Herrenausstattung und zur Chemie. Um nur einige zu nennen: Henry Sonneborn gründete eine Fabrik für Herrenbekleidung, in der bis zu 4000 Arbeiter beschäftigt waren. Jacques (Isaak) Sonneborn wurde Partner seiner Vettern Joseph und Leo Stern, Söhne von Jacob und Reichel Stern, in den Ölwerken Stern- Sonneborn AG (OSSAG), dazu gehörte auch die Tankstellenkette SONOL. Ferdinand und Siegmund riefen in Amerika die Firma “L. Sonneborn Söhne, Weißöl u.a. Petroleumprodukte” ins Leben und Samuel gründete in Marburg eine Seifenfabrik (in der Nazizeit ging er nach Luxemburg, flüchtete nach England und wanderte 1942 mit seiner Familie in die USA aus). (Aus einem Brief von Samuel, dem jüngsten Sohn des Levi Sonneborn) Gegen Ende der 40er Jahre des 19. Jahrhunderts kam Henry, der Sohn des Moses Sonneborn, in die USA. Er ließ sich in Baltimore Maryland nieder. In den 70er Jahren gründete er dort eine Fabrik für Herrenmoden. Sie wurde zu einer der größten im Lande und beschäftigte mitunter mehr als 4000 Arbeiter. Sie blieb bis Ende der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts in Betrieb.

Der Judenfriedhof in Breidenbach

Die 1482 qm große und von einer 1,70 m hohen Ziegelsteinmauer umgebene Begräbnisstätte der jüdischen Ortsbürger, liegt in südöstlicher Richtung auf dem Läuseköppel zum Asch hin. Der Friedhof beherbergte 49 Grabstätten, die nicht mehr alle vorhanden sind. Die Einfriedung, eine Ziegelmauer mit einem Eisentor, hat Henry Sonneborn aus Baltimore in 1903 errichten lassen, dazu ist auf der südlichen Seite eine Gedenktafel angebracht worden. Bevor der Breidenbacher Judenfriedhof um das Jahr 1835 angelegt wurde, beerdigte man die verstorbenen in der Gemeinde Roth (Eschenburg – Roth). Seit dem Jahr 1700 befand sich der Friedhof auf eigenem Gelände in Roth, warum gerade in Roth ?. Es könnte damit zusammenhängen, daß man ihnen im Bereich der Breidenbacher Gerichtsbezirke kein Grundstück verkauft hat und sie somit in das eigenständige Gericht Roh ausgewichen sind. Am 28.11.1912 willigt der damalige Gemeinderechner in Roth Johann Jost Schneider 6. ein, das fragliche Grundstück mit einer Mauer einfrieden zu lassen und als Friedhof zu betrachten. Zudem wurde im Grundbuch eingetragen, das Grundstück niemals bebauen zu lassen.

Die Synagoge in Breidenbach, (Judenschule)

In 1777 wird im Brandkataster unter der Nr. 58 (also vor 1777 erbaut) ein Gemeinde Brauhaus der Braugenossen genannt. Dieses Gebäude verlor in späterer Zeit, als es mehr Ortsbürger mit einer Braugenehmigung gab, seine Bedeutung. Im neuen Kataster von 1863 hatte dieses Gebäude die Nr. 13 erhalten. Als Synagoge wird besagtes Gebäude in den Jahren 1831 bis 1838 genannt. Zur Gründung einer selbstständigen Religionsgemeinde kam es in 1826, dies war abhängig von der Anzahl der jüdischen Männer in dem jeweiligen Ort. Es hat bereits in 1777 eine inoffizielle Judenschule oder auch Versammlungsraum gegeben. So steht im Kataster, Löw Aron Haus Nr. 39 mit Judenschule dran (Ohnerts). In 1859 kam Abraham Kahn als Judenlehrer, ein Kahn ist bei Flamms Haus als Bewohner angegeben. Heinemann Stern, Schwiegervater des Max Gunsenhäuser, war der letzte Vorsteher der jüdischen Gemeinde in Breidenbach, er wohnte in Jeddes, das Haus gegenüber der Synagoge. Die Besitzverhältnisse während und nach dem Dritten Reich sind mir nicht bekannt.

Breidenbach, Hauptstrasse 49 (heute Perf-Apotheke)

Fehlt hier Text?

Das Ende der Juden in Breidenbach

Zur Zeit des ersten Weltkrieges wurden auch die Söhne der jüdischen Familien zum Militärdienst eingezogen. Sie riskierten ebenso wie alle anderen Soldaten Kopf und Kragen für das deutsche Vaterland und den Kaiser. Es waren dies, Leopold Roth und sein Sohn Hermann, Max Gunsenhäuser, Theodor Stern in 1915 gefallen und die Brüder Leo u. Karl Herzberg. Jüdische Familien gab es in 1933 noch 3 hier in Breidenbach, die bis 1939 in die USA auswanderten. Nicht so die Hermine Herzberg, die mit Lehrer Albert Schauß verheiratet war. Hermine trat zum christlichen Glauben über, was ihr aber nichts nützte. Sie musste den Weg in ein Lager antreten, auf dem sie ihr Ehemann bis Frankfurt nichtsahnend begleitete. Ihr Ehemann Albert war als Schullehrer in Breidenbach, in jener Zeit aus dem Schuldienst entfernt und arbeitete in der Firma Theis in Wolzhausen. Einige der jüdischen Familien aus Breidenbach, welche in größere Städte und in andere Europäische Länder abgewandert waren blieben von der Verfolgung im Dritten Reich nicht verschont. Als Todesorte stehen bei einigen verstorbenen die Orte Theresienstadt, Maydanek, Bergen Belsen und Auschwitz hinter ihren Namen. Die Familien Gunsenhäuser und Roth verließen als letzte am 17.02.1939 Breidenbach, nachdem Max Gunsenhäuser und Hermann Roth für 4 Wochen im KZ Buchenwald inhaftiert waren.

In diesem Zusammenhang kann ich als Quelle auf die unschätzbare Arbeit des Ludwig Kamm zurückgreifen, der sich in mühevoller Kleinarbeit in seinem Ruhestand mit den Juden in Breidenbach beschäftigt hatte. Eine Arbeit, die mit der Unterstützung der politischen Gemeinde und des damaligen Bürgermeisters Artur Künkel zustande kam. Es ist auch die gute Zusammenarbeit und Kooperation mit den Nachkommen der aus Breidenbach ausgewanderten jüdischen Familien und anderen Geschichtsforschern zu loben. Ludwig hat mit Dokumenten und Listen aus verschiedenen Archiven Berichte verfasst und Statistiken aufgestellt, die zum Teil auch im Wochenblatt der Gemeinde veröffentlicht wurden. Weiterhin kann ich auf die hervorragende Arbeit des Jürgen Runzheimer verweisen. In dem Buch “Abgemeldet zur Auswanderung” herausgegeben vom Hinterländer Geschichtsverein, hat er sich intensiv mit diesem Thema beschäftigt.

Statistik

1770

In 1770 gab es in Breidenbach 4 Judenhäuser. Es kamen hinzu im Jahr 1799 Liebmann Gombel, Haus Nr. 84 Abrahams, später Sattlersch 1804 Judd Isaak, Haus Nr. 91 Giedels, später Lores Salomon Sundheim, Haus Nr. 56 Gemeinde Hirtenhaus, später Schetzeschefersch

1773

1 Gumbel Joseph * 1714, 59 J. alt, Weib, Jütge Nr. 44 (später Ormches), Nährt sich durch makeln und Almosen 2 Söhne * 1768 und *1771, einer bei ihm, einer dient auswärts 2 Töchter * 1745 und 1752.

2 Loew Aron * 1726, 47 J. alt, Weib, Sprintz Nr. 39 Ohnerts, sein Bruder war Simon Aron 2 Söhne * 1761 und Feibel * 1771. Handelt mit Vieh und Frucht, schlachtet auch Vieh zum Fleischverkauf, 1 Haus. Die Söhne nannten sich Sonneborn. Erhielt den Schutzbrief in 1749

3 Simon Aron * 1740, 30 J. alt ledig Er lebt bei seinem Bruder Loew Aron im Haus und handelt mit ihm in Gesellsch. Nr. 39 Ohnerts

4 Haune * 1736, 37 J. alt Weib, Hannel 1 Sohn Salomon ¼ J. alt * 1773, 1 Tochter * 1769. Treibt einen geringen Viehhandel. (später Sundheim)

5 Gumbel Salmo * 1726, 47 J.alt, Weib, Freundge 2 Söhne * 1762 und * 1771, 1 Tochter 18 Jahre, alle Kinder in Haus. Er lebt vom makeln und betteln. 1 altes verfallenes Häuschen.

6 Gumbel Isaacs, Wittib * 1719, 54 J.alt 1 Sohn, Liebmann * 1746, gest. vor 1818, der auswärts dient. 4 Töchter, 2 davon verheiratet, 2 dienen. Eigenes Haus, nährt sich durch nähen und stricken.

7 Hirtz Joseph, Wittib (später Stern) Nr. 107 (später Feschdersch) 2 Söhne, davon dient einer auswärts, 1 Tochter

8 Joseph Isaac nachgelassene 4 Kinder, 2 davon dienen auswärts, 2 unerwachsene werden von Gumbel Isaacs Wittib verpflegt.

Moses, Joseph – Salmo Aaron – Löw Hirsch sowie der ledige Ascher Moses

1777

32. Herz, Löw ? auf der Straßenmitte 39. Löw Aron (die Judenschule dran) Ohnerts 44. Itzig Gombel Ormches 45. Itzig Joseph ? 84. (1799) Liebmann Gombel Löwenstein Abrahams 91. (1804) Isaac, (Jud.) ?

Erst in und nach 1809 nahmen die Juden Familiennamen an, die sie sich frei auswählen konnten.

1800

87. Herzberg, Daniel Gedaljes 14 Personen im Haus Löwenstein, Isak ? Sonneborn, Moses ? 7 Pers. i. Haus Stern, Isac (Isaak) Herz Itzigs 39. Gerson, Hirsch Ohnerts Löwenstein, Levi ? 6 Pers. i. Haus 37. Sonneborn, Feibel Feists 11 Pers. i. Haus Sundheim, Salomon Salme 8 Pers. i. Haus

1863

12. Stern, Joseph Itzigs (neues Haus - später Becker) 13. Synagoge jüd. Gemeinde (später Perf Apotheke) 17. Sonneborn, Joseph Schefersch (später Milchsack) 27. Sonneborn, Feist Feists (später Scherersch) 28. Sonneborn, Aron dasselbe 30. Gerson, Hirsch Ohnerts (später Eckhardt) 36. Hirsch, Samuel (später Rittersch) 47. Sonneborn, Bär Dipos (vor 1905 abgerissen) 50. Löwenstein, Abraham Abrahams (später Sattlersch) 51. Stern, David (Lehrer) ? (vor 1840 abgerissen) 53. Löwenstein 2. Liebmann Jud Meier (später Käthe-Ludd) 55. Löwenstein 1. Liebmann Schmandläb (später Schemmberjer) 57. Sonneborn, Levi Josephsläb (später Lotz) 59. Stern, Herz (später Feschdersch) 79. Herzberg, Liebmann Jettes (später Raiffeisenkasse) 87. Herzberg, Levi Gedaljes (später Schauß) 93. Stern, David in 1867 Kiobs 119. Stern, Levi Reibach (später das Amme Haus) 123. Stern, Jacob Giedels (später Lores) 18 Familien in eigenen Häusern

1915

13 Synagoge Israelische Gemeinde 79 Stern, Heinemann Jettes 87 Herzberg, Herz Gedaljes 6 Stern 1., Isaak Itzigs, neues Haus

1930

(6) Roth, Hermann Itzigs (79) Gunsenhäuser, Max Jettes

Feldfrevel und Strafen

Auszüge aus den Unterlagen über Feldfreveldelikte in den Jahren 1842 bis 1857, in denen jüdische Ortsbürger involviert waren.

Allgemeines: Der Feldfrevel war in Zeiten bitterer Armut ein ernstes Thema. Man sollte bedenken, daß die Menschen, besonders in unserer unfruchtbaren Gegend, auf jede Kartoffel und auf jedes Büschel Gras angewiesen waren. So wurden, wie wir heutzutage meinen, auch die kleinsten Verstöße in Strafe gestellt und hart geahndet. Zur Anzeige kamen die unterschiedlichsten und kuriosesten Vergehen, von denen ich hier einige Auszüge aus dem Großherzoglichen Ministerium des Inneren und der Justiz vorbringe. In der Regel ist die Eintragung der Schadenshöhe in “kr.” Kreuzer angegeben. Der besondere Umstand bei jüdischen Bürgern war der, daß ihr Sabbad am Samstag war und sie trotzdem an dem christlichen Sonn- und Feiertagen die Sonntagsruhe einhalten mußten. Mit scharfen Augen überwachte dies der Flurschütz, der die Sünder, wenn er sie auf frischer Tat ertappte, sofort stellte und zur Anzeige brachte.

5.5.1842 Jonas Suntheim Sohn Jacob wurde betroffen, daß er am Himmelfahrtstag auf der Elschenwiese einen halben Korb voll Kraut zum Salat gerupft hat, auf Senner Müllers Wiese. Friedrich Senner, Schaden 2 kr.

12.9.1842 Jost Seibel 2. Tochter Charlotte hat auf dem Hofacker tags in den Gelbrüben des Daniel Herzberg ¼ Last Unkraut gerupft. Daniel Herzberg Schaden 2 kr.

13.4.1843 Katharina Weigershaußen, Magd des Daniel Herzberg, ist der Christian Feurings Witwe durch die Wiese gegangen. Christian Feurings Witwe Schaden 6 kr.

13.8.1843 Moses Sonneborn seine zwei Söhne, Keiner und Maier, sind unter dem Gottesdienst vor dem Geweidige dem Bürgermeister Schmidt in Erbsen gewesen. Haftbar Vater. Schaden 15 kr.

15.9.1843 Herz Frank von Lahnhausen, Königreich Preußen, hat mittels durch treiben einer Herde Vieh an der Frucht und Kartoffeln durch zwei Stück Rindvieh Schaden thun lassen. Der Schaden ist durch ein Taxator abgeschätzt worden, für den Herz Frank zu 2 fl. (Gulden) 20 kr. und da er ein Ausländer war, so hat man die Strafe nach § 59 des Feldstrafengesetzes mit 2x , also 4 fl. 40 kr. deponieren lassen, das Pfandgeld und Gerichtskosten ist aber übersehen, der Schütz steht auch davon ab, die übrigen Kosten für Taxator und Gendarmen sind gleich berichtigt. Schaden Johs. Schmidt 2. 45 kr., Bgmstr. Schmidt 25 kr., Johs. Achenbach 1. 15 kr., Christian Becker 30 kr.,

31.3.1844 Moses Sonneborn Sohn, Heinemann, hat auf den Sonntag Palmarum mit einer Ziege in dem Garten des Heinrich Reitz 2. gehütet und 2 Zwetschen Bäumchen abfressen lassen. Der Vater haftbar. Schaden 15 kr.

7.8.1844 Joseph Sonneborn sind in seinen Erbsen am Hintal 5 Stück Wucherblumen gefunden worden. Pfarrer Beisenherz desgleichen 4 Stück in der Wallstadt. Daniel Sonneborn in der Wallstadt 6 Stück Wucherblumen auf seinem Acker gefunden worden. Friedrich Sinner desgleichen 5 Stück auf dem Acker vorm Hausberg.

22.7.1845 Isack Löwenstein seinem Acker am Reibertsloh wurden 3 Stück Wucherblumen gefunden. Feist Sonneborn seinem Acker vor der Ubricht 4 Stück Wucherblumen.

24.7.1845 Herz Stern auf dessen Acker hinterm Altweg wurden 9 Stück Wucherblumen gefunden.

Eine Erklärung zu dem Begriff “Wucherblumen”, denn was hat das Aufkommen dieser Pflanzen mit anzeigewürdigem Feldfrevel zu schaffen ? Bei diesen Anzeigen muß unterstellt werden, daß eine natürliche Ansiedlung der Pflanzen auf den bestellten Saatgrundstücken durch Wind, Wild und Vögel, in jedem Fall ausgeschlossen wurde. Als Urheber des Aufkommens konnte nur ein Zeitgenosse in Frage kommen, der durch Ausbringen von “Wucherblumen” (Pflanzen oder Samen) dem Besitzer des betroffenen Grundstücks spürbaren Schaden zufügen wollte.

5.10.1845 Aron Sonneborn seine Magd hat auf Sonntag um 2 Uhr 5 Stück Kohlrabe im Feld geholt und öffentlich durch den Ort getragen.

2.9.1849 Meier Sonneborn hat am Sonntag unter der Predigt im Garten Bohnen gepflückt. Eine Strafe ist hier nicht verzeichnet, ob das Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt wurde?

Die Aufzeichnungen enden am 31.7.1857 mit dem Eintrag: Lövi Herzberg Tochter und Magd haben in der Niemandswiese Kirschen zum Essen entwendet. Georg Thomä Schaden 6 kr.